Lieber Erdling,
Du wunderst Dich bestimmt, dass Du heute von mir Post bekommst, stimmt’s?! Nun, dann erzähle ich Dir vielleicht besser mal ein wenig von mir. Ich heiße 3,7 und ich lebe mit meinem kleinen Flugdrachen Rudi in einer fernen, fernen Welt namens Pirk, in der sehr vieles anders ist als in Deiner. Was zum Beispiel? Puh! Es gibt so vieles, wo fange ich also an? Gut, hier auf Pirk gibt es zum Beispiel keine Uhren. Naja, zumindest keine Uhren, wie Du sie kennst. Hier gibt es nämlich gar keine Zeit, die man messen könnte. Das geht nicht?! Doch, doch! Auch wenn Du Dir das nicht so leicht vorstellen kannst. Ich habe also gar kein Alter! Weder bin ich ungefähr so alt wie Du, noch wie Deine Eltern, Deine Großeltern oder sonst irgendwer, den Du kennst. Zeit spielt hier keine Rolle. Das ist schon anders als bei Dir, oder?!
Ich lebe mit unendlich vielen anderen Pirks hier auf Pirk. Was sagst Du?! Das geht auch nicht, weil es ja gar nicht soviel Platz gibt? Doch, doch, das geht! Selbst für Dich würden wir hier noch Platz finden! Pirk ist nämlich unendlich groß. Und das ist eine echt coole Sache!
Hier auf Pirk gibt es sogar ein Hotel, das hat unendlich viele Zimmer. Stell Dir das mal vor! Das ist gigantisch. Da gibt es ein Zimmer mit der Nummer 1, ein Zimmer mit der Nummer 2, mit der 3 und so weiter. Wenn man ganz weit den Gang entlangläuft, kommt auch ein Zimmer mit der Nummer 314159265 und noch mit viel größeren Nummern. Es hört einfach nicht auf.
So ein Hotel mit unendlich vielen Zimmern, das ist etwas total Tolles! Einmal gab es hier ein großes Fest und alle Zimmer waren schon mit Gästen belegt. Wirklich alle! Und plötzlich kam noch jemand, der ebenfalls ein Zimmer brauchte. Puh. Was nun? Der konnte ja kaum draußen schlafen. Was denkst Du, was passiert ist? Der freundliche Hotel-Manager Hilbert sagte nur lächelnd: „Kein Problem. Natürlich habe ich noch ein freies Zimmer für Sie!“ Häh? Wo soll das denn bitte sein? Alle Zimmer sind doch voll. Aber genau das ist das Tolle an der Unendlichkeit! Da ist so manches anders. Und so hat es funktioniert:
Der Hotel-Manager bat den Gast aus Zimmer 1, ins Zimmer 2 umzuziehen. Den Gast aus Zimmer 2 bat er, ins Zimmer 3 umzuziehen und so weiter. Jeder Gast sollte in das Zimmer gehen, dessen Nummer um 1 größer war als seine bisherige Zimmernummer. So hatte jeder Gast jetzt ein neues Zimmer. Durch diesen kleinen Trick war aber das Zimmer 1 frei geworden und so konnte sich der unerwartete Gast ebenfalls auf ein gemütliches Bett freuen.
Was?! Du bist der Meinung, das funktioniert gar nicht, weil der Gast aus dem letzten Zimmer gar kein neues Zimmer bekommen hat?! Doch, doch! In dem unendlich großen Hotel gibt es nämlich gar kein letztes Zimmer! Es geht immer weiter. Die Zimmerreihe hört einfach nicht auf. Und hinter jedem Zimmer kommt noch eins! Und das hat wieder eine um 1 größere Zimmernummer. Und dahinter kommt noch ein Zimmer. Und so weiter. Unendlich fort.
Sowas funktioniert natürlich nur in dem Hotel hier auf Pirk. Da, wo Du wohnst, haben die Hotels keine unendlich vielen Zimmer. Wenn da das Hotel voll ist, ist es voll. Dann kann der neue Gast schauen, wo er schlafen wird. In diesem Hotel sicherlich nicht.
Nach dem einen unerwarteten Gast kamen hier auf Pirk dann noch ein paar kleinere Gruppen mit 4, 20 und 117 Gästen. Aber immer wieder bat der Hotel-Manager die Gäste, in ein Zimmer mit einer höheren Nummer umzuziehen und schon waren genügend viele Zimmer für die neuen Gäste frei. (Es ist schon gut, dass es hier keine Zeit gibt, die man durch diese ständige Umzieherei verplempern würde.) Alle Zimmerwünsche ließen sich also recht leicht erfüllen.
Aber dann kam plötzlich ein Reisebus mit unendlich vielen Leuten, die noch ein Zimmer zum Schlafen wünschten. Puh! Jetzt war guter Rat teuer. Aber unglaublich! Der Hotel-Manager Hilbert lächelte nur und sagte: „Herzlich Willkommen in unserem schönen Hotel! Ich werde Ihre Zimmer vorbereiten.“ Und so ging er zu seinen Gästen und bat den Gast im Zimmer 1, ins Zimmer 2 zu ziehen, der Gast aus Zimmer 2 sollte ins Zimmer 4, der aus Zimmer 3 ins Zimmer 6 und so weiter. Jeder Gast sollte in das Zimmer mit der Nummer ziehen, die genau doppelt so groß war wie seine bisherige Zimmernummer. Das war vielleicht ein Durcheinander, sag ich Dir! Aber dann waren alle bisherigen Gäste in ihren neuen Zimmern mit den Nummern 2, 4, 6, 8, 10, 12, … untergekommen und die Zimmer mit den Nummern 1, 3, 5, 7, 9, 11, 13, … waren frei für die unendlich vielen neuen Gäste, die diese Zimmer nacheinander belegten. Der Erste ging in das Zimmer mit der Nummer 1, der Nächste in das mit der 3, der Nächste in das mit der 5 und so weiter. Jeder neue Gast ging in ein Zimmer, dessen Nummer um genau 2 größer war als das, was sein Mitreisender vor ihm gerade bezogen hatte. Und so hat doch tatsächlich jeder der unendlich vielen neuen Gäste ein Zimmer zum Schlafen gefunden!
Jetzt habe ich so viel vom Unendlichen erzählt, dass auch ich unendlich müde geworden bin. Rudi ist schon längst neben mir ins Land der Träume entschwunden. Na dann: Gute Nacht für heute!
Deine 3,7
Mein Sohn ist 9 und jetzt in der 4. Klasse. Er ist eher ein „Sprachen-Mensch“, was nicht heißen soll das er Mathe nicht versteht, doch hat er meist keine Lust Stunden lang Zahlenreihen aufzuschreiben. Heute habe ich ihm den ersten Brief von 3,7 gegeben und er war total begeistert. Er hat mich gefragt wann er wohl den nächsten bekommt, doch werd ich mir da Zeit lassen. Zumal ich denke das noch nicht alle Briefe etwas für ihn sind. Doch habe ich gemerkt wie fleißig er mitgerechnet hat, wie begeistert er versucht hat die Unentlichkeit zu verstehen.
Danke, 3,7 und Rudi, dass ihr Mathe für Kinder greifbar macht, wo doch Mathe überall um uns herrum ist.
Eure Jay
Hallo Jay,
ich hoffe, Dein Sohn wird noch so einige spannende Briefe zu lesen bekommen und sich daran erfreuen. Ja, sie sind unterschiedlich schwierig, aber dennoch kann er ja schon jetzt einmal hier und da reinschnuppern. Ich denke, Du wirst überrascht sein, was er mit etwas Neugier und Spaß verstehen wird. 🙂
Viel Spaß! Und schau immer mal wieder rein, ob es einen neuen Brief von 3,7 gibt.
Raymond